Was siehst du wenn du die Augen schließt?
Ausstellung
Die im Rahmen der THIS IS FAKE – RESIDENCY I entwickelte Ausstellung »Was siehst du wenn du die Augen schließt?« besteht aus vier inhaltlich zusammenhängenden Virtual-Reality-Arbeiten, räumlichen Installationen, Objekten und einem Archiv. Ausgangspunkt waren verschiedene Fragestellungen um den zentralen Begriff »Reminiszenz«, die im Spannungsfeld zwischen virtueller Realität, Digitalisierung und der tatsächlichen Realität einer Stadt wie Zeitz in Sachsen-Anhalt aufkommen. Mit Techniken wie Immersion, Embodiment und digitaler Erfassung werden persönliche Narrative der ostdeutschen Identität, der deutschen Einheit und der Nachwendezeit mit Themen der Internetkultur wie Online-Identitäten und Avatarismus zusammengeführt. Gemeinsam ergeben die Arbeiten eine Multimedia-Komposition mit einer Verweildauer von insgesamt etwa 45 Minuten.
Die erste VR-Arbeit »MEMORY« ermöglicht den Betrachter:innen Räume und Orte, die mithilfe von Photogrammetrie digital konserviert wurden, mit persönlichen Geschichten und Erfahrungen von Menschen aus der Stadt Zeitz in Verbindung zu bringen. Es entstehen Denkräume, die die Kindheit und Jugend in der DDR, Wertarbeit, Wende und die Zeit nach der Wiedervereinigung neu zusammenstellen und beleuchten.
In der VR-Arbeit »REFLECTION« wird die Betrachter:in ganz wortwörtlich in eine außergewöhnliche Situation versetzt: während der eigene Körper scheinbar durch einen mithilfe von Motion Capture aufgezeichnete Animation ersetzt wird, werden die eigenen Bewegungen an die Person gegenüber übertragen. Durch diese Verschiebung von Selbst- und Fremdwahrnehmung und das Gefühl der doppelten Präsenz wird der Dialog mit der Schauspielerin Henriette Rossner-Sauerbier, die in Zeitz lebt und arbeitet, zu einem Gespräch nicht nur über ihre persönliche Geschichte rund um die Wende und sondern zeitgleich auch über die eigenen Erfahrungen.
Die Welt verändert sich, und somit auch die Arbeitswelt, wie wir sie heute kennen. Die VR-Arbeit »MOTION« verhandelt in einer an ein Theater anmutenden Kulisse das Verschwinden der Wertarbeit. Avatare im Low-Poly-Stil verrichten schwere körperliche Arbeit, deren Bewegungen durch Motion Capture erfasst wurden, jedoch ohne den Raum oder sichtbare Werkstoffe tatsächlich zu bearbeiten.
»The future is already here – it’s just not very evenly distributed.« – William Gibson. Die vierte VR-Arbeit »FICTION« fordert die Betrachter:in in einem Umkleidekabinen ähnlichen Raum auf, sich einen neuen Körper in Form eines Avatars auszusuchen. »Du kannst sein, was Du willst!« ist das Postulat. Die Konstruktionen von Sexualität, Geschlecht, Herkunft und körperlicher Besonderheiten werden in einer utopischen Zukunft keine Rolle mehr spielen. Zeitgleich sind Interviews von Menschen zu hören, die bereits heute ihre Zeit in digitalen Welten verbringen und über ihre Erfahrungen mit Avataren sprechen.
Ein verbindendes Element in der Ausstellung ist das Archiv, das »Internetcafé«, mit zwei Computern. Fundstücke von analogen Fotos, CDs, VHS Kassetten und weitere Interview-Ausschnitte sind dort hinterlegt. Per Mausklick können sich die Besucher:innen durch die Artefakte navigieren und mehr über Zeitz, die DDR und die Nachwendezeit erfahren.
Medien:
»Selbstentdeckung in der digitalen Nudel« (Zeitz Online),
»In der Nudel wird es virtuell« (Zeitz Online),
»Sektstunden Qualität in fremden Küchen: Live aus Zeitz« (Radio Corax)
Lenn Blaschke, Leon Galli, Julie Hart und Farina Hamann
Zeitz, Juni 2020
Veranstalter der Residency: THIS IS FAKE
Danke an: Lukas Rosenkranz, Paul Maisel, Birgit und Mathias Mahnke